Gelegentlich werde ich gefragt, welche Gender-Variante eigentlich „richtig“ ist und wie ich es mit der Gender-Sprache halte. Ich persönlich nutze keine gegenderte Sprache, verstehe aber die Gründe gut.

Die Leitidee hinter Gender-Sprache ist folgende: Unser Denken wird von Sprache gelenkt, beeinflusst und auch begrenzt. Das ist ein Grund, warum wir uns an so Weniges aus unseren ersten beiden Lebensjahren erinnern: Wir haben buchstäblich keine Worte dafür.

Sprache bestimmt das Denken – aus dieser Grundannahme heraus entstand das Bedürfnis, Frauen in der Sprache expliziter zu benennen. Wenn männliche Singular- und nicht gegenderte Pluralformen von Substantiven verwendet werden, sind weibliche Personen in der Regel nicht sichtbar. Wer also sagt: „Fünf Ärzte schlenderten über den Rummelplatz“, lässt im Kopf das Bild von fünf männlichen Ärzten entstehen. Faktisch könnten es zwei Ärzte und drei Ärztinnen sein – grammatisch bliebe das Pluralwort immer „Ärzte“. Nach dieser Sichtweise verschwinden die weiblichen Ärztinnen zwischen den männlichen Ärzten. Dies trifft auch für Singularformen zu, wenn beispielsweise allgemeine Aussagen getroffen werden wie: „Ein Lehrer durchläuft eine mehrjährige Ausbildung.“ Dies gilt de facto genauso für die Lehrerinnen, doch die Lehrerin wird im genannten Beispielsatz grammatisch nicht explizit ausgewiesen. Der Fachbegriff dafür lautet „generisches Maskulinum“.

Und das ist wichtig zu wissen: Das generische Geschlecht ist etwas anderes als das biologische Geschlecht. „Das Mädchen“ ist generisch sächlich, biologisch aber weiblich. Das generische Geschlecht und das biologische Geschlecht sind also nicht unbedingt deckungsgleich.

Sprache, und gerade bezüglich der Geschlechtsthematik die deutsche Sprache, ist nicht immer logisch. Das weiß kaum jemand besser als Menschen, die Deutsch lernen möchten. Warum ist die Sonne feminin, der Mund maskulin, das Licht sächlich? Der Hund männlich, die Katze weiblich? Es gibt in vielen Fällen keine logischen Begründungen für grammatische Geschlechter. Während sich viele Strukturen der Grammatik verstandesmäßig erfassen lassen, heißt es bei der/die/das: auswendig lernen. Ein wenig Anarchie im Rahmen des Systems sozusagen.

Ach ja, das Neutrum gibt es ja auch noch, und da sind wir bei einem weiteren wichtigen Aspekt: Während Gender-Sensible noch versuchen, durchgehend das generische Femininum neben den männlichen Formen zu etablieren, gibt es ja auch schon die Bemühung, all jene explizit mit anzusprechen, die sich sozial oder auch biologisch weder dem einen noch dem anderen Geschlecht eindeutig zuordnen können oder möchten. Damit kommen wir zu mehrgeschlechtlichen Schreibweisen, die weitere Geschlechtsidentitäten berücksichtigen.

Hier wird es richtig kompliziert, deshalb schlagen wir mal nach. Was sagt eigentlich der Duden zum Thema, seit 150 Jahren unsere Leitinstitution in sprachlichen Angelegenheiten? Er zieht sich aus der Affäre. Schon länger beobachten Liebhaber der deutschen Sprache, dass im Duden-Verlag nurmehr registriert und verwaltet, weniger jedoch reglementiert und Orientierung gegeben wird. So zählt der Ratgeber „geschlechtergerechter Sprachgebrauch“ schnöde auf, welche Optionen es gibt. Es sind recht viele:

  • Doppelnennungen: „liebe Schülerinnen und Schüler“
  • Kurzform der Doppelnennung mit Schrägstrich oder Klammern: „Schüler/-innen“, „Schüler(innen)“
  • Gender-Stern: „Schüler*innen“
  • Binnen-I: „SchülerInnen“
  • Gender-Gap mit Unterstrich oder Doppelpunkt: „Schüler_innen“, „Schüler:innen“

Und hiermit komme ich zu meinem Hauptkritikpunkt an Gender-Sprache: Sämtliche Möglichkeiten sind entweder umständlich oder nicht stringent umsetzbar (Beispiel: „Bauern/Bäuerinnen“ oder auch „Ärzte/Ärztinnen“ geht nicht mit Binnen-I, Gender-Gap oder Sternchen). Spätestens bei Wortgruppen wird es völlig undurchschaubar, denn konsequenterweise müssen Artikel, Pronomen, Adjektive usw. dann ebenfalls genderneutral flektiert werden. Grammatikenthusiasten geht bei der Lektüre durchgegenderter Texter viel Kapazität verloren, weil wir stets analysieren müssen, ob alle Bestandteile der Wortgruppen korrekt gebeugt wurden – und oft genug ist dies nicht der Fall. Das lenkt vom Inhalt des Textes ab.

Gerade für mich als Texterin ist es doch aber das wichtigste Ziel, mit meinen Texten bestimmte Inhalte zu vermitteln. Dabei stets das (zugegeben politisch wichtige) Thema Gleichberechtigung mitzuverhandeln, lenkt ab von der jeweiligen Kernbotschaft. Gendersprache macht Texte länger, schwerer verständlich und leseunfreundlich. Ganz zu schweigen von Sprachästhetik. Kein Wunder, dass da auch der Duden-Verlag nur resignativ mit den Schultern zuckt.

Kurzum: Das Ziel ist hehr, die Strategie zur Erreichung aber nicht durchdacht und das Ergebnis sind schwer lesbare Texte und mitten in Wörtern stolpernde Nachrichtensprecher (und natürlich -innen). Für Menschen mit Leseschwäche, Hörbehinderung oder kognitiven Einschränkungen sind dies unnötige Erschwernisse. Für viele andere, und durchaus auch für gut gebildete und Themen der Gleichberechtigung gegenüber offenen Menschen ist Gendersprache ein akademisches Eliteprojekt, das an der Lebens- und Sprachwirklichkeit vorbeigeht.

Ach, wie sehr wünschte ich, die Bemühungen würden zu einer Veränderung der sozialen Realitäten führen: dass Frauen und Männer gleiche Chancen für ihre persönliche Entwicklung und Entfaltungsmöglichkeiten erhalten und für ihre Arbeit fair entlohnt werden. Das würde so viel mehr einschließen – beispielsweise auch, dass männliche Jugendliche nicht mehr belächelt würden, wenn sie einen sozialen Beruf ergreifen möchten, gar als Erzieher oder ähnliches, und dass Männer sich nicht „typisch männlich“ verhalten müssen, um ernstgenommen und als männlich akzeptiert zu werden. Das alles gilt es zu hinterfragen. Allein: Ich glaube nicht daran, dass diese Ziele über Gender-Sprachbemühungen erreicht werden können. Anders gesagt: Selbst wenn die Gendersprache eine gerechtere Sprache sein sollte, führte dies noch nicht zu einer gerechteren Welt. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung über diese Themen hat auf anderen Ebenen stattzufinden – die Sprache ist nicht das Vehikel dafür und sie kann es auch nicht leisten. Sprache wird durch das Gendern politisch aufgeladen, ja: zum politischen Statement. Das polarisiert und verhärtet Positionen, anstatt zu Austausch und Verständigung einzuladen. Und: Gendersprache überbetont das Geschlecht. Geschlechterfragen sind überpräsent, auch in Fällen, in denen das Geschlecht gar keine Rolle spielt – ist das nicht das Gegenteil von dem, was eigentlich erreicht werden sollte?

So bin ich für mich zum Ergebnis gekommen, dass ich persönlich keine Gender-Sprache verwenden möchte. Selbstverständlich wende ich sie beruflich trotzdem an, wenn dies der Kundenwunsch ist.